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Mainzer Rheinzeitung, 29. Januar 1996
Premiere der "anner Fassenacht": Publikum war von "Trunksitzungen" total begeistert Drecksäck: "Der Stachel sitzt tief" Kritik am "Meenzer Fastnachtsmief" - Viele politische Beiträge - Keine Partei wird geschont
VON ARMIN THOMAS

MAINZ. Wer einmal gesehen hat, wie Rainer Christ durch den Gonsenheimer Wald joggt, ahnt vielleicht, daß der Mann fastnachtliches Talent besitzt. Wer ihn dann im Männerballett der Meenzer Drecksäck sieht, dem wird schnell klar: Das ist der Michael Jackson aus der Mainzer Neustadt. Und am Schluß der Premierensitzung der "anner Fastnacht" setzt er als CNN-Reporter Peter Arnett noch einen drauf.
Doch der Reihe nach. Schließlich sind die beiden "Trunksitzungen" der Drecksäck "neben der OB-Wahl das am heftigsten diskutierte Thema in Mainz", wie Drecksack-Vorstandsmitglied Günter Beck mehrfach anmerkt. Und so geht's ab: Statt in ein Eulenfaß steigen die Redner (alles exklusive Drecksäck) in eine Mülltonne, ein Komitee gibt es ebensowenig wie Garden und vereinseigene Narrenkappen. Immerhin haben die Meenzer Drecksäck Orden für ihre Aktiven (einen kleinen grauen Drecksack mit roter Zunge) und Sitzungspräsidenten. Nicht einen, nein: Rotierende Sitzungspräsidenten wechseln sich ab, und sogar ein Zuschauer darf 20 Minuten lang in einem Sessel am Rande der Bühne residieren und das Geschehen verfolgen. Und Helau wird geschrieen, das hat das Publikum am Freitag und am Samstag abend basisdemokratisch selbst entschieden. Aber sonst: So richtig "alternativ", wie im Vorfeld vermutet, ist die Fastnacht der Meenzer Drecksäck nicht. "Anners" als die derzeit gängige Form der Narretei ist sie schon. Und politischer, womit die Drecksäck durchaus die vielbeschworene Tradition der klassischen Meenzer Fastnacht fortsetzen.

In einem aufwendigen und erstaunlich perfekt inszenierten Vorspiel erhalten "Peter und Margit" ( Günter Beck und Birgit Schütz) aus der fernen Galaxis den Auftrag, künftig "anner Fastnacht" zu feiern. Die beiden Kinder der "Familie Becker, die 439.", waren nämlich voriges Jahr während der Übertragung der Fernsehsitzung eingeschlafen. Nun moderieren "Peter und Margit" halt im Haus der Jugend und präsentieren einem hellauf begeisterten Publikum Späße und manche Hiebe auf die etablierten Narren. Günter Beck : "Dieser Stachel sitzt ganz tief im Meenzer Fastnachtsmief." Die Drecksäck greifen an.

Publikum schunkelt

Protokoller Dieter Kramer stellt klar: "Es ist des Drecksacks liebste Wonne, zu schenne aus de Tonne." Aus dem Hunsrück angereist sind Bille Billewitz und Horst Schneider, die mimisch grandios ein Historienspektakel aufführen: "Wie der Schinderhannes einmal Kopfweh hatte" und er einst in Mainz von diesem Leiden erlöst wurde.

Heiß wird es im Saal, als Thomas Stock, Achim De Paoli und Bernd Hinrichs ihre subversive Version von "Am Rosenmontag bin ich geboren" singen (das Publikum schunkelt!) und dann gemeinsam mit den Gästen im Saal zur "Bonanza"-Melodie das "Freßsack-Lied" anstimmen: "Haste nix zu trinke, esse Worschbrot. Haste nix zu esse, trinkste halt e Bier vom Fass. Sach dein Doktor, du sollst nix mehr esse, ha' em uff de Backe, un dann gehste widder haam." Heinzfried Dautermann steigt in die Tonne und räumt ein, zunächst "betroffen" gewesen zu sein, als er den Namen "Drecksäck" erstmals hörte. Als man ihm dann aber erläutert habe, daß sich "die Drecksäck nur so nennen, aber in Werklischkeit richtige Fastnachter sind, und die richtige Fastnachter in Werklischkeit . . " - ein johlendes Publikum unterbricht ihn hier, bevor er seine Rede über "das große I" (liebe Schwestern und SchwesterInnen) hält.

Die "Kelly-Geister" zeigen eine herrliche Parodie auf die gleichnamige "Family", "die längste Altkleidersammlung der Welt" ( Günter Beck ). Zum Höhepunkt der ersten Hälfte avanciert der Vortrag von Thomas Schäfer: "Ich wär so gern OB von Meenz." Die Chancen stünden gut, da seine Gegenkandidaten nicht das nötige Stehvermögen hätten, um die Gunst der Wähler zu erheischen. Der eine sei allenfalls für Drais geeignet, der zweite zum Einschlafen. Und der dritte? "Der Berlepsch futtert nur Müsli die ganze Zeit, ich bin zu jedem Rippche bereit." Auch in der AKK-Frage gibt Schäfer sich - inzwischen trägt er eine MCV-Kapp quer auf dem Kopf - populär: "Ich grüß' die Leit in de besetzte Zone, die dort driwwe in Kastel noch wohne." Günter Beck : "MCV-Chef Werner Mundo kennt angeblich alle guten Redner in Mainz. Hier liegt er falsch. Thomas Schäfer kennt er nicht." Was einfach daran liegt, daß Schäfer vorher in keine Bütt gestiegen ist. Ein toller Einstand!

Wer ruft noch nach Che?

Daß Markus Höffer-Mehlmer als "Büb Kätzmann" nun alte Kölner Witze erzählt, gehört in die Abteilung "war wohl nix". Dafür sollten sich die Fastnachtsexperten folgende Namen merken: Gerold Brand, Rainer Christ, Charles Franck, Thomas Dang und Claus Cartus sind die "Jackson Five" aus Mainz. Silke Jarzina hat die wahnsinnigen Fünf so gut trainiert, daß sie zur Melodie von "Dangerous" eine dem Thema hoch angemessene Ballettdarbietung zeigen. Zum Brüllen.

Peter Herbert Eisenhuth - mit seinen 30 Lebensjahren hat er das beste Nachwuchsredner-Alter erreicht - nimmt zunächst das offizielle MCV-Motto aufs Korn, um dann das Publikum zu beschimpfen:

"Einst Süverkrüp und Wader hörn,

sich über Marschmusik beschwern.

Jedoch, ich sach es unbenomme,

wie weit ist es mit euch gekomme?

Statt Schmuddelkids von Vater Franz

beklatscht ihr heut die Heile Gans.

Kein Schwein von euch ruft noch nach Che,

ihr wollt nur Humbatäterä."

In einem Fitneßstudio sind nun "5 Frauen in Bewegung" zu sehen, die auch ihre Speckpolster thematisieren und samstags sogar das Publikum dazu animieren, ihre "Übungen" mitzumachen. Auch hier brilliert Birgit Schütz, die in unglaublich viele Rollen schlüpft. Uwe Hettlach und Jürgen Girtler halten ein Zwiegespräch als Polizist und Gammler, wobei besonders die Jonglagenummer beeindruckt. Creme Fresch ist die Drecksack-Hauskapelle, eine Rap-Nummer und Samba mit Batteria Infernal runden die Sitzungen (Regie: Reinhard Hippen und Wolfgang Kiefer) ab.

Vollends aus dem Häuschen sind die Drecksack-Fans, als die AKK-Nummer mit Rainer Christ als CNN-Reporter und Markus Höffer-Mehlmer als UN-General abgespult wird. Wir befinden uns im Jahr 2005: Im Krisengebiet Mainz-Kastel ist gerade der elfte Waffenstillstand ausgerufen worden. "Arnett" interviewt UN-General "Tak", einen Tschetschenen, der den Oberbefehl hat. "How do you find the situation?" Der General gibt sich gelassen: "Die Bevölkerung wird mit Broten aus weißem Mehl, runden Schweinewürsten und Flaschen mit vergorenen Rebensäften versorgt. Da sind die Leute glücklich." Und das Publikum im Haus der Jugend ist überglücklich, daß es in Meenz endlich Drecksäck gibt.


Meenzer Drecksäck  |  info@meenzer-drecksaeck.de