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Meenzer Drecksäcke: Gemeuchelte Rosa Säue im Drecksack-Tatort

mainz& vom 5. 2. 2016

Von Gisela Kirschstein

Tatort-Zeit in Mainz, und es sieht ganz finster aus. Irgendjemand meuchelt Säue, rosa Säue in Serie. Ein Finsterling, gekleidet wie ein Obermessdiener, zieht die Fäden… Keine Frage: Die Drecksäcke müssen mal wieder die Fastnacht retten. In ihrem 21. Jahr tun die Alternativfastnachter von Mainz das routiniert, gewohnt bissig und wieder einmal Sau-stark – aber mit Schwund. Die Akteure auf der alternativen Narren-Bühne, sie werden weniger. Mehr Musik, weniger „Saubande“, reduzierte „Uferlose“ – die Drecksäcke lassen in der Kurzkampagne Federn.

„Die Drecksäcke haben ein Demografie-Problem“, lästert Jürgen Girtler, „letztes Jahr haben sie schon mich wieder zurückgeholt.“ In der Tat: Die Rückkehr des Wort-Jongleurs und Politik-Sezierers 2015 hat den Drecksäcken gut getan. Der Polizist lästert sich furios durch Bundeswehr, CSU, SPD („Sprechblasen des Grauens“) und die Graswurzel-Zombis der Grünen – da biegt sich das Publikum und lässt die Rosa Sau durch den Saal tanzen, beinahe enttäuscht, dass der Girtler schon fertig ist.

Denn die Drecksäcke sind geschrumpft in der Kampagne 2016: Da ist der schwul-lesbische Chor, „Die Uferlosen“ sichtlich von Mitgliedern dezimiert – aber mit toller Verkehrsnummer! -, und die „Saubande“, eine der Truppen, fehlt gleich ganz. Schade – die Saubande war eine der Gruppierungen mit jüngeren Leuten. So müssen die „Alten“ und Bewährten die Fahne hoch halten, und das tun sie in gewohnt gekonnter Manier: „Alles wird gut“, versichert da Joachim Knapp gleich zu Beginn – auch wenn die VW-Ingenieure ganz tief in der Stickstoff-Depression sitzen und Darth Blatters Macht in der weit entfernten Galaxie der Fifa schwindet.

Klar, dass die Alternativfastnachter die „Aufgesucht feigen Dummköpfe“ der AfD aufs Korn nehmen, die in der „trüben Petry-Schale“ nur eines produzieren: „Zwei Sorten von Dünnschiss“ – so seziert Knapp die braune Brühe im Feld der Politik. Auch die tiefgefrorenen Weinköniginnen haben nichts Gutes zu berichten: In 200 Jahren ist Rheinhessen ein einziger Parkplatz, und Fraport hat das uneingeschränkte Sagen…

Mit wunderschönen Kostümen glossiert die Frauen-Gesangstruppe der Drecksäcke um Anke Eckhardt-Würz wieder einmal herrlich närrisch und hoch gekonnt lokale Ereignisse mit einem großen Schuss Lokalkolorit. „Abtau’n, Girls!“ – da tobt der Saal und die Rosa Sau tanzt ausgelassen über die Köpfe der Besucher. Das tut sie den ganzen Abend lang – was einst als Auszeichnung und Zugabe gedacht war, ist längst zum geliebten Ritual geworden.

Mit Innovationen tun sich die Drecksäcke in dieser Kampagne – wie übrigens viele andere auch – ein wenig schwer. Bei den genialen Zwischenspielen zwischen den einzelnen Nummern lassen Günter Beck und Birgit Schütz unter anderem die Fenstergucker wieder aufleben – und kalauern sich herrlich spritzig durch die Polit-Szene. „Die CDU ist einfach kein sicheres Herkunftsland mehr“, seufzen die Drecksäcke, und Beck, im normalen Leben Bürgermeister von Mainz, lästert, sein Kollege Wirtschaftsdezernent Christopher Sitte (FDP) sei ja „für die Katastrophen zuständig, das macht er gut…“

Die Spitze gilt der Brücke ins Niemandsland an der Uni, und auch sonst kriegt die Lokalpolitik viel ihr Fett weg. Bei der Laienspielgruppe sitzt der Stadtvorstand gar gemeinsam in der Sauna – ein Schelm, wer Ähnlichkeiten zur realen Welt erkennt – und kauft die Fußball-WM für Mainz mit allerlei Gefälligkeiten: Der Fleischer darf olle Wurst verkaufen, die Wohnbau Flüsterrasen im Stadion verlegen. Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) baut zur WM eine U-Bahn von einer Station Länge, Baudezernentin Marianne Grosse (SPD) kriegt außer ihrem Schuhschrank wenig geplant, und OB Michael Ebling (SPD) ist zum Grüßaugust verkommen – Stadtpolitik aus Drecksäck-Sicht. Großartig.

Aber nicht, dass die Drecksäcke verlernt hätten, sich selbst auf die Schippe zu nehmen. „Das rosa Etwas ist mein Vater“, begrüßt Melia die Zuschauer. Die ist Becks Tochter, der wiederum mit einem neuen Drecksack-Anzug für Furore sorgt – und sich von der Tochter beim närrischen Pferderitt sportlich treiben lässt. Herrlich – aber ehrlich? Das gab’s 2015 auch schon…

Neu war 2015 Ottmar Schwinn in der Drecksack-Bütt, und der „Nostradummy“ legt in diesem Jahr noch ein Stück gekonnter den Finger in die Wunde. Da widersetzt sich Peter Altmaier (CDU) der Abschiebung ins Saarland, Deutschland wird jetzt statt am Hindukush auf der Sitztribüne gegen den Terrorismus verteidigt, und Katrin Eder hat einen ganz neuen Plan für eine Auto befreite Innenstadt – und baut jetzt Kanäle. Die Mainzer Verkehrsbetriebe haben schon reagiert, es gibt jetzt MVGmeinBoot…

Was ist die Steigerung von bösen Drecksäcken? Richtig: der Prediger. Und wenn einer im Mittelmeer kenternde Flüchtlinge besingen kann, dann Peter Herbert Eisenhut: „Europa atmet auf, wieder sind 200 tot…“ Der Prediger hat wahre Alpträume angesichts von Not, Elend und Chaos, einem Europa, das auseinanderfällt, einem Schengen-Abkommen, das nur noch Schrott ist. Wie gut, dass der Prediger es trotzdem  schafft, daraus eine grandiose Nummer zu machen, auch aus der „geilen Hatz“ auf Frauen: „Ein Prosit der Gemütlichkeit – endlich wieder Wies’n-Zeit.“

Aber wann nehmen die Drecksäcke eigentlich die traditionelle Fastnacht aufs Korn? Was einmal der Gründungsgrund der Alternativfastnachter war, wird längst liebevoll-närrisch umarmt. Das „Fidele Einsatzkommando“ alias Markus Mehler-Höffer glossiert in diesem Jahr in großartiger Weise die Jungs vom „Freiwilligen Terroristischen Jahr“ und gibt AfD, Putin und allen Integrations-Forderern kräftig einen mit. Aber früher war eindeutig mehr Parodie auf die etablierte Fastnacht….

Und wenn heute Abend die traditionelle Fernsehsitzung „Mainz bleibt Mainz“ nur 500 Meter weiter über die Bühne des Kurfürstlichen Schlosses tobt, dann könnte man meinen, die Drecksäcke haben ihren Frieden damit gemacht. Zumindest eine Gemeinsamkeit haben sie: Niemand geringeres als Andreas Schmitt, Sitzungspräsident von „Mainz bleibt Mainz“, gibt sich tatsächlich als Obermessdiener im Drecksack-Tatort die Ehre, und dazu der „Begge-Peter“ von den Mombacher Bohnebeiteln. Na, wenigstens sind die Mainzer Oberfastnachter noch die Bösewichter…


Meenzer Drecksäck  |  info@meenzer-drecksaeck.de