Okay: Günter Beck ist auch nicht im
Rathaus, sondern auf der Bühne "seiner" Drecksäck. Die alternativen
Fassenachter, die längst zur närrischen Ersten Liga gehören, verwandeln
das Haus der Jugend heuer in eine Mischung aus Tollhaus und Spaßbude, in
der permanent die Sau rausgelassen wird.
Denn
während in herkömmlichen Narrhallen besonders gelungene Vorträge mit
dreifach-donnernden Helau-Rufen gefeiert werden, lassen die Meenzer
Drecksäck eine überdimensionale Plüschsau auf ihre Zuschauer los, die
das gewaltige Vieh zurück zur Bühne jonglieren müssen.
Aber
bleiben wir beim Bürgermeister. Beck und seine kongeniale
Bühnenpartnerin Birgit Schütz moderieren seit 17 Jahren das
Drecksack-Spektakel. So lange gibt es die Trunksitzungen der Drecksäck
schon. Deshalb wäre es ungerecht, dem Oberdrecksack vorzuwerfen, er
würde seine schrille Spaßshow als Wahlkampfbühne missbrauchen. Natürlich
richten sich in diesem Jahr die Augen besonders auf Beck. Doch das
Erfolgsgeheimnis der Drecksäck ist das Kollektiv. In dem sich allerdings
einige Publikumsrenner herausgebildet haben. Sei es Angelika Spautz,
die im legendären Vorfilm (diesmal: 100 Tage ohne Strom) so brillant die
typisch Mainzer Mutter Becker und noch viele Rollen mehr gibt.
Oder
Peter Herbert Eisenhuth: Der Prediger und sein Chor haben besonders
Christian Wulff und Jens Beutel im Visier. Wobei sich der alte OB wohl
schämen würde, hätte er so viel geschnorrt wie der Präsident. Und da ein
Prediger ja irgendwie auch mit Tod zu tun hat, beschäftigt ihn der
verblichene Johannes Heesters besonders stark. Immerhin: Eisenhuth hält
sich durch bemerkenswerte Tanzeinlagen fit. Training für die 109?
Garant
für Kabarett in der Fassenacht ist Markus Höffer-Mehlmer. Weit nach
Mitternacht fliegt der "Büb Käzmann" der MRZ als Engel ins Publikum und
bringt die Leute tatsächlich zum Schunkeln!
Der
schwullesbische Chor "Die Uferlosen" hat sich erfreulicherweise ein
Zeitlimit gesetzt. Gelingt es den Sängerinnen und Sängern nicht, den
Saal 11 Minuten bei Stimmung zu halten, detoniert eine von Finther
Bösewichten gelegte Bombe. Es gelingt ihnen... Das mit dem Zeitlimit ist
übrigens eine wirklich gute Idee! Wir wissen ja: Weniger ist oft mehr.
Eine Erkenntnis, die sich weder in weiten Kreisen der althergebrachten
Sitzungsfassenacht noch bei manchen Drecksack-Gruppen so recht
durchgesetzt hat. Voll im Limit liegt Joachim Knapp: Mit zurückgegelten
Haaren berichtet der "Liberale auf der Flucht", kurz Lafi, von
Wutbonzen, die den Lafis wegen der nicht eingehalten Steuerversprechen
auf den Fersen sind. Köstlich!
Lechzen könnten
Frauen und vielleicht auch manche Männer ob eines weiteren
Drecksack-Klassikers: das Männerballett. Diesmal im
Blues-Brothers-Outfit. Was nicht bedeutet, dass es nicht irgendwann
nackte Beine zu sehen gibt.
Neu und gut: Oliver
Nieder als der Mainzer Günther Jauch. In seinem Quiz "Wer gewinnt 10
Drecksäck-Euro?" holt er sich irgend einen Zuschauer auf die Bühne, der
wirklich harte Nüsse knacken muss. Kostprobe? Welchen Frevel haben die
Drecksäcke begangen? a) Zweitmitgliedschaft bei den Eiskalten Brüdern?
b) Mitschunkeln bei Mainz bleibt Mainz? c) Teilnahme am Rosenmontagszug?
d) Lachen beim Vortrag des "Boten vom Bundestag"? Der Kandidat muss
nicht lange überlegen: Antwort c. Richtig! 10 Drecksack-Euro kann dieser
glückliche Mensch in Spundekäs und Silvaner investieren.
Alternative
Fassenachter werden Verständnis dafür haben, dass der Autor vom Prinzip
des alles Erwähnens abweicht. Zwei Hinweise seien aber noch gestattet:
"Toni, Ernst und die Hämmerle" sind als Hausband zurückgekehrt. Die
älteren, gleichwohl sehr agilen Musikanten ehren den Hausherrn mit einer
Coverversion des Golden-Earring-Fetzers "Radar Love": Radar Beck.
Noch
ein Hinweis zur politischen Ausgewogenheit: Natürlich finden auch die
OB-Kandidaten Michael Ebling (SPD) und Lukas Augustin (CDU) im
Drecksack-Programm statt. Das letzte Wort sei dennoch Günter Beck
gestattet: "Ich habe auch intellektuelle Seiten." Es scheint tatsächlich
so. Thomas K. Slotwinski